Warum Säbelzahntiger uns heute nicht mehr gefährlich werden?

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Warum Säbelzahntiger uns heute nicht mehr gefährlich werden? Anfängergeist / (Beginner´s Mind)

Stellen Sie sich vor, ein Säbelzahntiger steht vor Ihnen, was tun Sie? Wegrennen oder Angreifen – oder doch lieber stehen bleiben. So lief das früher. In der Regel sind wir weggerannt. Und das war gut so, vielleicht gäbe es uns sonst nicht mehr.

Doch die Zeiten sind lange vorbei. Wie viele Säbelzahntiger sind Ihnen in letzter Zeit begegnet? Hatten Sie schonmal das Gefühl mit einem im Meeting zu sitzen oder sind einem im Strassenverkehr begegnet?

In der Tat läuft in uns heute noch steinzeitliches ab, obwohl die Säbelzahntiger längst ausgestorben sind.

Wir verwechseln heute Kollegen, Vorgesetzte, Lebenssituationen und alles mögliche mit diesen gefährlichen Tieren von damals.

Das Ergebnis: Angriff, Angst, Ohnmächtigkeit, Stress, Konflikte…

Das Trainieren, Erreichen und Bewahren des Anfängergeistes ist eines der wichtigen Prinzipien bei der Übung von Achtsamkeit. Achtsamkeit ist kein starres Konzept sondern eine Einstellung, eine Art des Seins. So verfolgt Achtsamkeitspraxis auch das Ziel, unabhängiger von den eigenen, festgefahrenen Verhaltens-/ und Reaktionsmustern zu werden.

Im Laufe unseres Lebens lernen wir, speichern Situationen ab, konditionieren unser Verhalten oder werden von der Umwelt konditioniert. Dieser „Speichervorgang“ läuft meist automatisch und ohne unsere bewusste Wahrnehmung ab. So als hätten wir auf unserem Computer die „jede Sekunde-Autospeichern“ – eingestellt.

Das führt dazu, dass wir in vielen Situationen im Alltag die „gespeicherten“ Inhalte abrufen und uns dessen auch häufig nicht bewusst sind. Wir beurteilen den gegenwärtigen Moment dann in der Regel durch die Augen der Vergangenheit – die Brille unseres Speicherbewusstseins. Das ist in vielen Lebenssituationen, wie z.B. im Strassenverkehr oder bei einer unmittelbaren Bedrohung auch sinnvoll – jedoch besteht nur ein Bruchteil unseres Lebens aus solchen wirklich bedrohlichen Situationen.

Häufig kommt es vor, dass die gegenwärtige Situation überhaupt nicht mit der gespeicherten Reaktion auf die vergangene Situation identisch ist – sich sogar stark davon unterscheiden kann.

Beispiel:

Wir begegnen einem Menschen mit einer bestimmten Frisur, mit einer uns bekannt vorkommenden Stimme und einem Kleidungsstil, der dem eines Menschen ähnelt, der uns in der Vergangenheit häufig Probleme bereitet hat. Unbewusst laufen in uns Reaktionsmuster ab, die unser Handeln und Auftreten diesem Menschen gegenüber bestimmen können. Wir werden vielleicht misstrauisch, haben Vorurteile – eine fruchtbare Begegnung zwischen uns und dem anderen wird so schlichtweg unmöglich.

 

Was wäre, wenn wir in der Lage wären, Situationen oder vermeintlichen Konflikten, neuen Begegnungen im Alltag und im Job mit einer Haltung zu begegnen, als wäre dies die erste Erfahrung oder Begegnung dieser Art und wir hätten echte Handlungsautonomie zu entscheiden, wie wir auf die jeweiligen Situationen reagieren? Ohne direktes Urteilen und den Ablauf automatischer Reaktionsmuster wie Ablehnung oder Angriff.

Wir verhalten uns bemerkenswert häufig wie der pawlowsche Hund, der anfängt zu wedeln und sich aufs Fressen freut, wenn er die Glocke hört. Es gibt aber auch Hunde, die nicht wedeln, sondern direkt beißen, weil Sie im Gegensatz zum pawlowschen Hund nicht auf Glocke=Fressen sondern auf Angriff konditioniert wurden.

Menschen mit einem trainierten Anfängergeist sind sich dieser Tatsache bewusst, kultivieren den Anfängergeist durch gezieltes Achtsamkeitstraining und reagieren anders:

  • sie nehmen sich Zeit zum Anschauen und Innehalten – das erfordert in einer dynamischen Gesellschaft den Mut, sich eine Pause zu gönnen
  • sie beobachten die Gedanken im eigenen Geist – das erfordert Training
  • sie fühlen was in ihnen vorgeht – das erfordert, seine Gefühle wahrnehmen zu können
  • sie nehmen automatische Bewertungen wahr
  • sie wissen, wie sie selbst „ticken“ und welches Muster gerade abläuft – das erfordert Zeit
  • sie entscheiden sich bewusst, ein dem Muster zu folgen oder gehen wie ein „Anfänger“ offen mit der Situation um
  • sie geben sich und dem anderen Raum, zu sein
  • sie geben der Begegnung eine Chance ohne die eigenen Urteile über die Situation zu stülpen
  • sie reagieren auf Basis der Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation (GFK)

Mit der Zeit entwickeln sich daraus:

  • Handlungsautonomie unabhängig von den eigenen Erfahrungen
  • Klarheit über die eigenen Werte, Gefühle, Gedanken und Muster
  • die Chance für neue Begegnungen
  • Mitgefühl für sich und andere
  • Konfliktärmere oder gar konfliktfreie Beziehungen

In der Achtsamkeitspraxis und Meditation lernt man, diese Haltung einzunehmen, die dargestellten Abläufe zu beobachten und immer mehr zu vertiefen. Mit der Zeit werden die Phasen im Alltag, im Berufsleben und in Beziehungen immer länger, in denen man den Anfängergeist bewahren kann.

Viel Erfolg dabei!

 

„Der Geist des Anfängers kennt unendlich viele Möglichkeiten – der des Experten dagegen wenige.“

 

Shunryu Suzuki – Zen Meister

 

 

 

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