Stress in Zahlen und Fakten

Stress gehört nach Meinung von führenden Gesundheitsexperten zur größten Gesundheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts.

Die WHO stuft Stress eine der größten Gesundheitsbedrohungen überhaupt ein.

Allein in den letzten 10 Jahren hat sich in Deutschland die Anzahl der psychisch und stressbedingten Krankheitstage in der Bevölkerung mehr als verdoppelt (über 60 Mio. Krankheitstage p.a.). In einer Umfrage zum Jahreswechsel des Instituts Forsa in Nordrhein Westfalen gaben 69% der 30-44-Jährigen Stressreduktion als den Vorsatz fürs neue Jahr an. Fast jede zweite Frühberentung ist mittlerweile auf psychische, stressbedingte Erkrankungen zurückzuführen.

Jeder kennt Stress. Doch was steckt hinter diesem diffusen Begriff und Gefühl Stress?

Die nachfolgenden Informationen helfen Ihnen dabei, Stress besser zu verstehen.

depressed

Der Stressmechanismus 

Der Begriff Stress ist wird von den meisten Menschen als Beschreibung für einen Zustand von Überforderung benutzt. Stress kann heftigen Gefühle und Körperreaktionen auslösen und Dauerstress (chronische hohes Stresslevel) kann viele Folgen für die Gesundheit von Körper und Psyche haben.

Die Stressreaktion ist jedoch keineswegs nur etwas Negatives, das es gilt loszuwerden. Ein Leben ohne Stress gibt es nicht, denn Stress ist die Grundlage für Lern-/ und Entwicklungsprozesse. Ohne Stress gäbe es keine Anpassung und Entwicklung in unserem Leben.

Bei näherer Betrachtung ist die diffuse Empfindung "Stress" das Ergebnis von Stressmechanismen und Stressreaktionen im Organismus des Menschen und von Tieren.

Wenn wir sagen, wir seien gestresst (im negativen Sinne gemeint), sind wir uns oft nicht der komplexen Vorgänge in unserem Organismus bewusst, die dazu führen, dass wir uns gestresst fühlen. Das Gefühl, gestresst zu sein, entpuppt sich bei näherem Hinschauen nicht als ein einziges spezifisches Gefühl, sondern als eine Mischung aus vielen verschiedenen Gefühlen.

Ein Grundgefühl steht bei den meisten Stressbelastungen am Anfang und begleitet die Stressempfindung:

Angst. Die Angst, mit einer real existierenden oder angenommenen Bedrohung nicht „fertig“ zu werden.

Stressdefinition

Obwohl keine allgemein anerkannte Stressdefinition in der Wissenschaft existiert, kann man zusammenfassen:

Stress ist die Empfindung und Reaktion eines Organismus auf Reize und Einflüsse, die die momentanen Möglichkeiten und Ressourcen des Organismus übersteigen und ihn damit unmittelbar oder mittelbar bedrohen.

Folgen von Stress für Körper und Psyche

Bereich akute (kontrollierbare) Stressreaktion langfristige (unkontrollierbare) Stressreaktion
Herz-/Kreislaufsystem Puls steigt/Blutdruck steigt Blutdruck steigtHerzrhythmusstörungen
Lunge Atemfrequenz steigt keine chronischen Folgen
Bewegungsapparat erhöhte Muskelspannung Verspannungen, Kopfschmerzen
Magen-Darm-Trakt reduzierte Darmtätigkeit Blähungen, Flatulenz, Verstopfung
Genitaltrakt reduzierte Tätigkeit Impotenz
Gehirn fokussierte Wahrnehmung Stimmungsschwankungen, Depression, Sucht
Haut blass, schweissig z.B. serobische Dermatitis
Immunssystem Stärkung Schwächung

Warum empfinden wir Stress?

Stress, oder besser gesagt der Stressmechanismus in einem Organismus, ist ein im Laufe der Evolution entstandener komplexer Vorgang, der Überleben und Fortbestehen von Individuen und Arten durch deren Anpassung an die äußeren Lebensumstände zu Lebzeiten ermöglicht.

Auf den Punkt gebracht heißt das: Angst und Stress ist eine der wichtigsten Grundlagen für Veränderung und Anpassung von Leben.

Die Stressreaktion im Körper und im Geist ist unterteilbar in kontrollierbare und unkontrollierbare Stressreaktionen und kann - je nach Ausprägung oder Verlauf dieser Reaktion – einerseits für uns in unserer Entwicklung hilfreich sein oder andererseits zerstörerisch, toxisch oder sogar tödlich.

Stress - ein Meilenstein der Evolution

Im Rahmen der Evolution – so die Sicht von Neurobiologen und Wissenschaftlern – ist im Laufe der Zeit durch die Entwicklung der Stressreaktion und der damit einhergehenden Ausschüttung von Botenstoffen (z.B. Katecholamine wie Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol) in den Organismus, erstmalig in der Entwicklungsgeschichte von Individuen die Fähigkeit entstanden, das Überleben von Organismen nicht nur durch feste Angriff-/ und Fluchtprogramme zu sichern, sondern vor allem durch Anpassung an die Umweltbedingungen. Zu Zeiten der Dinosaurier war diese Anpassung zu Lebzeiten nicht möglich.

Der Grund: Stresshormone beeinflussen das Erleben und Gefühle, daraus folgt ein kognitiver, emotionaler und neuronaler Anpassungsmechnismus: Im Idealfall die Bewältigung der Herausforderungen und damit Lernen und Anpassung oder Entwicklung der Persönlichkeit.

Stressoren und Verhalten unter Stress

Als Stressoren werden die Reize oder Einflüsse bezeichnet, die Stressreaktionen auslösen. Hier einige Beispiele für Stressoren:

  • Lärm, Hitze, Kälte, Enge
  • Über-/Unterforderungen, Prüfungen
  • Konkurrenzdruck, Isolation, Konflikte, Trennung
  • Hunger, Schmerzen, Verletzungen
  • alltägliche Belastungen
  • Zeitdruck
  • wechselnde Anforderungen
  • Kontrollverlust
  • Veränderung
  • Gedanken

Ob eine Stressor eine Stressreaktion auslöst hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Grad der Bekanntheit/Erfahrung
  • Kontrollierbarkeit
  • Vorhersehbarkeit
  • Innere Haltung und Bewertung

stressbedingtes Verhalten

  • hastiges Reden und Essen
  • Sucht-/Betäubung (Alkohol, Drogen, Nikotin, Essen, übersteigerter Genuss)
  • sozialer Rückzug
  • Steigerung von Konflikten (agressives Verhalten, Gereiztheit)
  • Stereotype Handlungen
  • reduzierte Selbstdisziplin
  • reduziertes Zeit-/Arbeitsmanagement (mangelnde Planung, Multitasking)

Stressreaktionen sind höchst individuell

Was ein Individuum als Stress empfindet von vielen individuellen Faktoren abhängig und somit völlig verschieden von Mensch zu Mensch. Was der eine als unüberwindbare Bedrohung empfindet und sich damit einhergehend ohnmächtig fühlt, kann von einem anderen bereits als Herausforderung empfunden werden, bei der Lust oder Neugierde auf Neues entsteht. Hierbei ist im Sinne des fürsorglichen Umgangs mit sich selbst wichtig zu berücksichtigen, dass das eine weder schlecht noch das andere gut ist, sondern es eben so ist, wie es ist. Stresswahrnehmung und Verarbeitung hängt von vielen persönlichen Faktoren ab.

Letztlich kann man sich bei Betrachtung der eigenen Stresssempfindungen immer sicher sein, dass man selbst in vielen anderen Situationen eher der „Coole“ bleibt und auf erworbene Ressourcen zurückgreift, während andere wiederum mit der gleichen Situation maßlos überfordert wären.

Der Unterschied: kurzfristiger Stress und langfristiger Stress

Die Stressreaktion kann in kurzfristigen/kontrollierbaren Stress und in chronischen/unkontrollierbaren Stress unterteilt werden. Bei der kurzfristigen Stressreaktion handelt es sich um einen für wenige Momente ablaufenden Mechanismus (z.B. bei Flucht oder Kampf) - bei der langfristigen Stressreaktion wird der Körper und die Psyche längerfristig belastet. Das Ergebnis kann aber auch hier eine sinnvolle Anpassung und damit Bewältigung des Stresses oder ernsthafte Folgen für Körper und Psyche sein.

Die kontrollierbare oder kurzfristige Stressreaktion

Die kontrollierbare Stressreaktion erleben wir, wenn die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen (z.B. soziales Umfeld, Erfahrungen, Strategien, Ideen) ausreichen, um eine reale oder erdachte Bedrohung des Organismus „in den Griff“ zu bekommen. Eine Situation in der wir uns befinden wird wahrgenommen, im Inneren repräsentiert in Sekundenbruchteilen mit Erfahrungen und Mustern abgeglichen. Wenn wir die Situation als bedrohlich einstufen, wird Körper wird mit Stresshormonen (z.B. Andrenalin) überflutet, die Atemfrequenz erhöht sich, der Puls schnellt in die Höhe, die Muskulatur wird durchblutet und die Alarmglocken läuten. Der Organismus ist bereit, zu reagieren. Wir reagieren affektiv (spontan oder unreflektiert) oder reflektiert und abgewogen. Wenn wir rasch wieder Herr oder Frau der Lage sind, entspannt sich der Mechanismus im Körper oder kehrt sich um. Wir entspannen uns. Der abgelaufene Mechanismus bleibt ohne langfristige Folgen für den Körper, außer dass die „Überwindung“ des Stressors (Stressauslösers) oft sogar ein Gefühl von Stärke in uns selbst hinterlässt. Auf der Ebene des Gehirns hinterlassen diese Stressituationen festere Bahnen im neuronalen Netz und wir können Routinen entwickeln, die uns bei der nächsten, ähnlichen Situation helfen.

Die unkontrollierbare oder langfristige Stressreaktion

Die unkontrollierbare Stressreaktion erleben wir, wenn die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen (z.B. soziales Umfeld, Erfahrungen, Strategien, Ideen, Kraft, Ausdauer) nicht ausreichen, um eine reale oder angenommene Bedrohung des Organismus zu bewältigen. Neben den kurzfristigen Stressempfindungen wird die Alarmstufe im Körper dann dauerhaft auf „ROT“ gesetzt.

Damit einhergehend werden andere Hormone (z.B. Cortisol) ausgeschüttet und die physiologischen Folgen für Gehirn, Organe, Zellen und unser Empfinden sind weitreichender und nachhaltiger. Unser Selbstvertrauen schwindet möglicherweise, wir fühlen uns z.B. ausgeliefert, ohnmächtig, müde und schwach. Bei der unkontrollierbaren Stressreaktion liegt die Ursache nicht nur im einzelnen Stressor selbst sondern wird auch durch die Menge und Haufigkeit der auftretenden Stressoren beeinflusst.

Wenn zu wir häufig und mit zu vielen Stressoren „konfrontiert“ werden, sodass keine wirkliche Entspannung mehr einsetzen kann, befinden wir uns vielleicht in einer scheinbar nicht anzuhaltenden Stressspirale.

Der Körper bleibt in Alarmbereitschaft, unser Denken wird eng, wir konzentrieren uns zunehmend nur noch auf negative Dinge (selektivere Wahrnehmung von Stressoren oder Gefährdungen).

Die Wissenschaft spricht dann von Hypercortisolismus, der dazu führen kann, dass die Verdaungsfunktion langfristig beeinträchtigt wird, Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen begünstigt werden und unser Sexualtrieb auf ein Minumum absinkt. Dies sind nur einige der Folgen für den Körper.

 

Stressreaktion kurzfristig und langfristig

Stressablauf, Stressreaktion, chronischer Stress

vegetatives Nervensystem

Stress im vegetativen Nervensystem, Stresskurve langfristig

Chronischer Stress – nur negative Folgen?

Aus Sicht von Neurowissenschaftlern kann jedoch auch chronischer Stress eine positive Seite haben. Über lange Zeit gerlernte und damit im Gehirn „gebahnte Wege“ und Bewältigungsstrategien im Leben, die für die Bewältigung der aktuellen Lebenssitutation eben nicht mehr funktionieren, können aufgelöst und im wahrsten Sinne des Wortes weggespült werden. Wir werden frei, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und in die Lage versetzt, neue Pfade zu betreten. Dafür sind auch physiologische Veränderungen im Gehirn erforderlich (Neuroplastizität), die durch die chronischen Stressfolgen ermöglicht werden.

Dennoch ist chronische Stressbelastung für den Organismus sehr belastend. Im ungüstigsten Fall, bleiben nach dem vorher genannten, möglichen Neubeginn dauerhafte Schädigungen des Organismus zurück, die die Lebenzeit verkürzen kann, die bleibt, um die neu gewonnene Freiheit aufbauen und genießen zu können.