Rückgriff statt Rückfall: Warum wir oft in alte Verhaltensmuster regredieren und wie wir mit Achtsamkeit und Freundlichkeit auf diesen Prozess schauen können

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Immer wieder erlebe ich in der Zusammenarbeit mit Menschen, die sich auf den Weg der Achtsamkeit und Persönlichkeitsentwicklung gemacht haben, dass Sie massiv mit sich hadern oder sich selbst stark verurteilen, wenn Sie bereits „überwunden“ geglaubte Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen erneut an sich beobachten.

Anlass genug, hierzu einige Zeilen zu schreiben, die in solchen Phasen des Selbstzweifels als Erinnerung hilfreich sein können. Denn der Innere Kritiker, das Über-ich, der Innere Forderer oder wie auch immer wir diese wertenden Instanzen nennen wollen, haben doch eine eher simple und lineare Vorstellung vom psychischen und seelischen Wachstumsprozess.

Diese Vorstellung ist Ursache für zusätzlichen Stress in ohnehin vielleicht schon schwierigen und herausfordernden Lebensphasen.

Wenn wir uns in einer Phase der Veränderung oder persönlichen Entwicklung befinden, mag es manchmal so erscheinen, als würden wir in alte, weniger konstruktive Verhaltensmuster zurückfallen. Doch dieses Phänomen kann genauer als ein „Rückgriff“ denn als ein „Rückfall“ betrachtet werden. Ein tieferes Verständnis dieses Prozesses kann uns dabei helfen, geduldiger und nachsichtiger mit uns selbst umzugehen und unsere Entwicklungsreise mit größerer Klarheit und Weisheit fortzusetzen.

 

Die Psychologie der Regredienz

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, warum wir überhaupt in alte Muster zurückfallen. Unser Gehirn ist ein energiesparendes Organ, das dazu neigt, bekannte Pfade zu begehen, weil dies weniger Energie verbraucht als das Ausbilden neuer Wege. Diese „Rückgriffe“ sind daher natürliche, zu erwartende Ereignisse während eines Veränderungsprozesses.

 

Ein Rückgriff als Schutzmechanismus

Alte Verhaltensmuster haben oft eine Schutzfunktion. Sie haben uns in der Vergangenheit möglicherweise geholfen, mit Stress, Angst oder Unsicherheit umzugehen – im Grund tun Sie es immer noch oder besser gesagt immer wieder. Wenn wir in eine alte Gewohnheit „zurückfallen“, kann dies eine Art sein, auf ein neues, möglicherweise bedrohliches Umfeld zu reagieren, indem wir auf eine bekannte, wenn auch nicht ideale, Art und Weise reagieren.

 

Der Lernprozess und der Weg der Selbstentwicklung

Ein Rückgriff kann als eine Art „Lernschleife“ betrachtet werden. Jedes Mal, wenn wir in ein altes Muster zurückfallen und uns dann bewusst dafür entscheiden, wieder auf den Weg der Veränderung zurückzukehren, stärken wir die neuronalen Pfade, die diese neuen, gesünderen Verhaltensweisen unterstützen. Dieser iterative Prozess ist ein integraler Bestandteil des Lernens und der Selbstentwicklung.

 

Selbstmitgefühl und Akzeptanz

Es ist wesentlich, während dieses Prozesses Selbstmitgefühl und Akzeptanz zu praktizieren. Die Erkenntnis, dass ein Rückgriff kein Scheitern, sondern ein natürlicher Teil des Entwicklungsprozesses ist, kann uns helfen, weniger hart mit uns selbst ins Gericht zu gehen und den Prozess als das zu sehen, was er ist: ein Schritt auf dem Weg zur Veränderung, und nicht ein Schritt zurück.

Diese Übungen können in diesen Phasen hilfreich sein:

  1. „schwierige“ Gefühle erforschen
  2. Selbstmitgefühl in der Übung „weich, ruhig und zulassend“

Fazit

Rückgriffe in alte Verhaltensmuster sollten nicht als Rückschläge, sondern als Teil des natürlichen Prozesses der persönlichen Entwicklung angesehen werden. Indem wir verstehen, dass diese Momente eine Gelegenheit zur Reflexion, Achtsamkeit und Anpassung bieten, können wir sie als Werkzeuge nutzen, um unser Wachstum und unsere Veränderung voranzutreiben, anstatt sie als Hindernisse und Problem zu sehen.

Mit Zeit, Geduld und Übung können wir lernen, diese Phasen als eine Gelegenheit zu nutzen, um aus unseren Erfahrungen zu lernen und uns weiterzuentwickeln, anstatt uns selbst für sie zu verurteilen.