Nach welchen Werten lebe ich eigentlich?
Wie wir unsere Werte mit Achtsamkeit erkennen, hinterfragen, realisieren oder verändern können
Eine Einladung zur Reflexion inkl. interaktiver Übung: Wertehierarchie
Werte begleiten uns – oft wie ein innerer Kompass, manchmal wie ein unsichtbarer Schatten. Sie wirken in unseren Entscheidungen, unseren Beziehungen, in dem, wie wir mit uns selbst umgehen. Doch viele unserer Werte sind nicht wirklich unsere eigenen. Sie wurden übernommen, unreflektiert beibehalten oder aus einem früheren Lebenskontext mitgetragen.
Die Arbeit mit Werten ist wie das Öffnen einer inneren Landkarte: Sie zeigt nicht nur, wo wir gerade stehen, sondern auch, wohin wir gehen wollen – oder müssen, um wieder in Einklang mit uns selbst zu kommen.
Interaktive Übung: Wertehierarchie1. Die eigene Wertehierarchie als Spiegel
In der Übung: Wertehierarchie auf unserer Website kannst Du in wenigen Minuten interaktiv mit Deinen Werten in Kontakt kommen. Wenn du deine persönliche Wertehierarchie erstellt hast, hältst du ein kraftvolles Werkzeug in den Händen. Vielleicht zeigt sich: Manche Werte, die du theoretisch für wichtig hältst, kommen in deinem Alltag kaum vor. Andere prägen dein Leben, ohne dass du sie bewusst gewählt hast. Wieder andere führen zu inneren Konflikten, weil sie sich gegenseitig widersprechen - vor allem wenn das Unbewusst geschieht, führt dies nicht selten zu Stress oder ernsten seelischen Konsequenzen.
Fragen zur Selbstreflexion:
- Entspricht meine Lebensführung den Werten, die mir wirklich wichtig sind?
- Welche Werte sind ganz oben – und wie sichtbar sind sie in meinem Alltag?
- Wo spüre ich Spannung zwischen dem, was ich lebe, und dem, was ich eigentlich will?
- Gibt es innere Zielkonflikte – Werte, die sich gegenseitig blockieren?
- Gibt es Werte, die ich vielleicht loslassen/hinterfragen möchte?
- Gibt es Werte, die mir zwar wichtig sind, nach denen ich aber (noch) nicht lebe?
Diese Fragen laden nicht zum Bewerten ein, sondern zum Erforschen. Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern um bewusstere, achtsamere Ausrichtung.
2. Übernommene Werte erkennen – und loslassen
Viele unserer Werte haben wir nicht selbst gewählt. Sie wurden uns – gut gemeint – mitgegeben: von Eltern, Lehrerinnen, Medien oder der Gesellschaft. Manches davon passt zu uns. Anderes erzeugt inneren Druck, weil es nicht (mehr) mit dem übereinstimmt, was wir heute brauchen oder glauben.
Typische Sätze, die auf übernommene Werte hindeuten könnten:
- Stärke: „Ich darf keine Schwäche zeigen.“
- Erfolg: „Erfolg ist das Wichtigste.“
- Kompromissbereitschaft: „Ich muss es allen recht machen.“
Achtsamkeit hilft uns, innezuhalten und zu fragen: Ist das wirklich mein Wert? Oder der eines anderen, den ich übernommen habe?
3. Innere Wertekonflikte verstehen
Manchmal geraten unsere Werte selbst in Konflikt: Ein Teil von uns sehnt sich nach Freiheit, ein anderer nach Sicherheit. Wir wollen ehrlich sein, aber auch dazugehören. Wir möchten helfen – und uns zugleich abgrenzen.
Solche Spannungsfelder sind kein Fehler im System. Sie sind Entwicklungsfelder. In ihnen liegt die Chance, sich selbst differenzierter kennenzulernen – und stimmige Prioritäten zu setzen.
Impulse für die achtsame Selbstbefragung:
- Was ist gerade wirklich wichtig – jetzt, in diesem Moment?
- Welcher Wert braucht gerade meine Zuwendung?
- Kann ich beiden Polen in mir Raum geben, ohne einen zu verleugnen?
4. Werte spüren – nicht nur denken
Werte sind nicht nur Ideen. Sie leben im Körper, im Herzen, in unserem Erleben. Oft merken wir erst im Rückblick, dass etwas „nicht stimmig“ war – weil wir einen inneren Wert übergangen haben. Oder weil wir etwas getan haben, das unserem Wesenskern entsprach – und es sich tief richtig anfühlte.
Achtsamkeit heißt, diesen feinen Signalen zu lauschen. Und die eigene Wertewelt nicht als starr zu begreifen, sondern als lebendig.
Ein Wert darf sich verändern – mit der Lebensphase, mit dem Wachstum, mit neuen Erkenntnissen. Es geht nicht darum, dogmatisch zu bleiben, sondern innerlich beweglich.
5. Der Unterschied zwischen Werten und Bedürfnissen – und wie sie sich begegnen
Werte und Bedürfnisse sind eng miteinander verwoben – und doch sind sie nicht dasselbe. Bedürfnisse sind grundlegende Lebensimpulse: nach Sicherheit, Nähe, Autonomie, Anerkennung, Ruhe, Ausdruck. Sie entstehen spontan, sind körperlich spürbar und oft mit Emotionen verbunden. Werte hingegen sind eher Leitsterne – sie geben Orientierung und drücken aus, wie wir leben möchten, nicht nur, was wir unmittelbar brauchen.
Man könnte sagen: Bedürfnisse sind wie Wurzeln, die uns nähren. Werte sind wie Äste, die uns in den Himmel wachsen lassen. Und wo sie sich überschneiden, entsteht Lebendigkeit: Wenn wir unsere Bedürfnisse wertorientiert leben, entsteht Sinn. Und wenn wir unsere Werte bedürfnisorientiert umsetzen, bleiben wir in Kontakt mit uns selbst.
Wenn du z. B. den Wert "Verbindung" lebst, aber dein Bedürfnis nach Rückzug ignorierst, entsteht Überforderung. Umgekehrt kann das Bedürfnis nach Alleinsein mit einem Wert wie "Hilfsbereitschaft" in Konflikt geraten – es sei denn, du findest eine Weise, beides zu integrieren.
Diese bewusste Unterscheidung und Verbindung zwischen Werten und Bedürfnissen ist ein zentraler Schritt zu innerer Klarheit und Balance.
Wertearbeit ist Selbstfürsorge
Wertearbeit ist keine rein kognitive Übung. Sie ist ein Teil von Selbstfürsorge und innerer Klärung. Sie hilft dir, den inneren Kompass neu auszurichten – nicht mit Zwang, sondern mit Sanftheit.
Wenn du magst, beginne mit einer kleinen Übung: Notiere spontan deine fünf wichtigsten Werte, die als Ergebnis im interaktiven Test herausgekommen sind. Und dann frage dich bei jedem einzelnen: Wo und wie lebe ich diesen Wert heute – konkret?
Wenn du tiefer einsteigen möchtest: In meiner Arbeit in Gruppen und Einzelsitzungen sind Werte ein wichtiges Thema – verbunden mit Körperwahrnehmung, Meditation und dem Dialog mit dir selbst.